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oder: das ist kein lustiger blogg. nein.

4/09/2007

überlauf-theorien

„Du wirst immer vergesslicher“, sagt er.
Kann nicht sein. Viel wichtiger, als die vielen Dinge, die ich vergesse, sind doch die vielen, vielen Dinge, die ich mir merke. Kann gar nicht sein. Vergesslich. Ich. Unmöglich.

Manchmal würde ich allerdings gern Dinge vergessen. Oder gar nicht erst wissen. Warum muss man heutzutage eigentlich rund um über alles und jeden bescheid wissen? Es gibt Situationen, da möchte ich bloß noch schreien: Sei still, das will ich nicht hören!
Ich will nicht wissen, warum Tauben auf mein Fensterbrett scheißen. Ich will auch nichts wissen über die genauen Hintergründe, warum jemand ein Kind quält, nicht, warum Dieter Bohlen auf Brünette steht und auf welche, auch nicht, wie alt mein Gemüsehändler ist und wie oft geschieden. Es interessiert mich nicht, dass der Bogen über dem Fenster ein gotischer ist und warum die PDS Herrn Lafontaine aufgenommen hat.

Manchmal möchte ich gern eine unqualifizierte und ungerechte Meinung über Dinge haben. Ich möchte meine Meinung ändern dürfen und ich möchte mich irren können und etwas falsch machen, ohne das jedes Mal einer schreit: Wie? Das weißt Du nicht?!

Wenn ich jemanden neu kennen lerne und ihn mag, dann will ich nicht wissen, was er im Leben für Mist gebaut hat. Dann will ich ihn mögen dürfen, bis er mir das Gegenteil beweist. Ich will nicht wissen, wen er betrogen, von wem er verlassen worden ist, es sei denn, er erzählt es mir, weil er es für wichtig hält. Ich möchte nicht wissen, ob er echt blond ist, oder nicht.

Ich möchte mir nicht immer Dinge merken müssen, die ich ohnehin überall nachschlagen kann oder mir im Ernstfall aufschreiben werde um eben das zu tun. Wenn mir der Bauch weh tut, will ich eigentlich nicht wissen, wo mein Blinddarm sitzt oder meine Leber, weil ich mir doch nur Sorgen mache über den Fisch von Mittag oder den Wein der letzten Jahre. Dann will ich einen Arzt, der mir sagt, was ich habe oder meine Mama, die mir einen Tee kocht und mir sagt, dass ich nichts habe. Und keine weisen Ratschläge über Umschläge und Medikamente und alternative Medizin.

Ich will nicht wissen, warum mein Computer funktioniert und wie die Website da hin kommt, wo ich sie finde. Ich will auch meist nicht mal wissen, warum jemand etwas schreibt. Was mich interessiert, ist, ob es etwas taugt. Da ist es mir egal, ob der Schreiberling nun Freund oder Feind ist. Schrott ist Schrott und geil ist geil, egal, wer es verbricht. Alles andere ist voreingenommen und verfälscht. Wenn ich weiß, dass es Leonardo da Vinci war und ich es Mist finde, muss ich mich dann schlecht fühlen? Und nur weil er es war – muss ich es lesen?

Möchte mir meine eigenen ganz persönlichen Vorurteile und Meinungen erhalten dürfen. Möchte Dinge ganz politisch unkorrekt toll finden, auch wenn falsch und uncool. Ipods cool finden ist uncool? Mir egal - schönes Design ist schönes Design und Benutzerfreundlichkeit ist benutzerfreundlich und wenn ich Windows Vista cool finde, weil es auch für dumme funktioniert, dann will ich das dürfen, ohne das mich eine hochgezogene Augenbraue beschießt.

Will sagen - ich muss nicht immer schlau sein. Ich kann gut damit leben, auch mal was nicht zu wissen, nicht zu können und manchmal eine unmögliche Meinung zu haben. Ich will cool finden und mögen, was ich mag und nicht, was „zu mir passt“. Ich will wissen, was mich interessiert und nicht „was man wissen muss“. Ich will spießig und langweilig sein dürfen und mich über laute Musik aufregen, auch wenn ich sie selbst liebe. Ich will Kotelett und Gucci lieben dürfen. Ich will sagen können, was ich denke, ohne mich ständig rechtfertigen zu müssen und manchmal will ich vergesslich sein und manchmal will ich dumm sein. Und manchmal will ich Dinge nicht verstehen. Weil sie viel besser funktionieren, wenn man sie nicht versucht zu verstehen. Männer, Waschmaschinen, Computer, Gefühle – schraubt man sie auseinander und wühlt in ihrem Inneren, ist es entweder enttäuschend oder sie gehen kaputt.

Und bei all dem Input, der einem tagtäglich vor die Füße geworfen wird, ist es ernsthaft schwer, sich alles zu merken, oder auch nur die Zeit zu finden, alles anständig zu sortieren. Da kann schon mal etwas hinten über fallen…

Ich bin also nicht vergesslich, sondern ich denke an fast alles. Nur das mit der Heizung… das hab ich jetzt wirklich vergessen.

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